BREXIT Kommentar
Politisch kann die Brexit-Entscheidung der letzten Woche historische Auswirkungen haben. Aus portfoliostrategischer Sicht gibt es auf mittlerer und langer Sicht viele weitere und, nach unserer Ansicht, bedeutendere Herausforderungen.
Der Entscheid wird, neben all seinen politischen Facetten und möglichen, negativen Auswirkungen auf die europäische Integration (u.U. steigende politische Risiken), auch schwer berechenbare wirtschaftliche Implikationen nach sich ziehen – nicht nur für Großbritannien. Vor dem Hintergrund eines ohnehin sehr fragilen Weltwirtschaftsgefüges (niedriges Wachstum, niedrige Inflation, negative Zinsen, hohe Staatsverschuldung, Ohnmacht der Notenbanken Wachstumsimpulse zu kreieren etc.) ist dies hinsichtlich der allgemeinen Stimmungslage an den Finanzmärkten nicht förderlich – was mittelfristig wiederum negative Rückkoppelungseffekte auf die Realwirtschaft haben könnte. Dies wird auch Wirkung auf die Strategiefindung der wichtigen Notenbanken zeigen: Ob ein Zinserhöhungsentscheid in den USA im Juli oder September diesen Jahres noch durchgeführt wird, ist nun höchst fraglich.
Die Volatilitäten sämtlicher Asset-Klassen (von Währungen über Aktien bis hin zu Anleihen und Edelmetallen) wird in nächster Zeit voraussichtlich erhöht bleiben. Nichts destotrotz glauben wir, dass die Reaktionen an den Märkten am Freitag etwas übertrieben ausgefallen sind. Natürlich dürfen die makroökonomischen Konsequenzen nicht kleingeredet werden, doch letztlich ist auch dieses Ereignis primär ein politisches. Politische Börsen haben im historischen Kontext in der Regel kurze Beine und nach einer ersten Phase der Paralyse wird sich die Welt auch trotz dem Brexit weiterdrehen. Wir haben daher bereits am Freitag begonnen, die über die letzten 3 Monate und bis zu diesem Tag moderat ausgerichtete Aktienquote zu erhöhen. Diese relativ konträre Positionierung, welche uns in den letzten Monaten Performance gekostet hat, wird durch diesen Schritt etwas abgeschwächt und die Exposure hierdurch erhöht.
Eines unserer Basisszenarios (eine weitere Zinserhöhung in den USA noch in diesem Sommer) ist durch das Ereignis vom Freitag ernsthaft infrage gestellt. Das wäre, wie mehrfach geschrieben, ein –wie die Briten sagen würden – „Game-Changer“: Kein wesentlicher, weiterer Aufwärtsdruck auf den USD wäre das mögliche Resultat und damit, früher als erwartet, Rückenwind für Substanzwerte wie Aktien, Gold, Goldminen. Das wäre letztlich eine Verlängerung des Aufwärtstrends bei Aktien ohne „new lows“ zu testen. Gleichzeitig würde auch ein überfälliger Bärenmarkt bei den völlig überteuerten Staatsanleihen noch einmal verschoben.
Wir werden nun die weitere Entwicklung beobachten und bei weiter fallenden Preisen unsere defensive Positionierung schrittweise auflösen. Aktive Positionierung und aktives Management wird in den nächsten Monaten wichtig. Für Ihre Unterstützung danken wir Ihnen sehr!
Patrick Picenoni
Altrafin, Anlageberater CONREN Fonds
Was haben wir vorab getan:
- Wie immer: – global diversifizierte Portfolien mit verschiedenen Themenschwerpunkten – ein aktives Risikomanagement als Teil der Portfoliozusammensetzung – Qualitätstitel stark gewichtet
- Am Donnerstag vor dem Referendum die GBP im Portfolio abgesichert. Dies als Vorsichtsmaßnahme, falls es doch zu einem Brexit kommt und die Währung dann am stärksten unter Druck gerät.
- Unsere Portfolios waren aufgrund der allgemeinen Lage, in der der Brexit nur eines von vielen Mosaiksteinchen ist, recht defensiv ausgerichtet. Durch Absicherungen war und ist die Investitionsquote vermindert.
Was haben wir nach dem Referendum am Freitag getan:
- Wir waren gut vorbereitet, so dass wir schnell reagieren konnten. Es gab bei unseren Investoren keinerlei Hektik oder Panik, was uns erlaubt hat, Freitag früh als Team loszulegen, um konzentriert und ohne jegliche Ablenkung zu arbeiten und hoffentlich die richtigen Anlage-Entscheide zu treffen.
- Ein guter Tag um wieder etwas Risiko aufzubauen, bevor uns die mittelfristig gewichtigeren, wirtschaftlichen Strukturthemen (Wachstum, Inflation etc.) ggf. wieder einholen: – Wir haben bei einigen Werten (auch in UK) niedrige Einstiegskurse genutzt („Nutze den Bärenmarkt“) – Wir haben die GBP-Absicherungen sowie einige der Aktienmarktabsicherungen wieder aufgelöst
Was gilt es nun zu beobachten:
- Die Reaktion der Amerikanischen Notenbank FED wird sehr wichtig. Eine Wende in der US Zinspolitik könnten den Ausblick für Assetpreise maßgeblich aufhellen. Wenn die FED im Juli/September nicht den 2. Zinsschritt wagt, wird es in diesem Jahr, u.a. aufgrund der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen, ggf. nicht mehr zu einer Zinserhöhung kommen. Der Brexit könnte hierzu vor allem beitragen aufgrund der Marktturbulenzen und generellen Verunsicherungen sowie aufgrund des stärkeren USD, der in den USA deflationär wirkt.
- Politische Aktionen und Reaktion Weitere Verunsicherung und Unsicherheiten würden zu weiterer Volatilität führen. Langfristig werden die UK eine Lösung mit der EU finden, die den Handel miteinander weiter ermöglicht.
Der Tag danach – einige Beobachtungen:
- Der Ausgang des Referendums hat die Märkte überrascht und viele auf dem falschen Fuß erwischt.
- Marktentwicklung: – Märkte haben zwar maßgeblich reagiert, aber es gab keine Panik. – Währungen: GBP und Euro verlieren / USD, CHF und Yen gewinnen – Risk-Off: Aktien und Anleihen der europäischen Peripherie verlieren – Flight to safety: Gold, USD und Deutsche Staatsanleihen gewinnen
- Notenbanken haben, wie erwartet, eingegriffen und stehen weiter bereit.
- Kein 2. Lehman-Moment
Autor: Patrick Picenoni – Altrafin, Anlageberater CONREN Fonds