10. Fondsmanager-Newsletter Familienunternehmen

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Sturm an den Märkten wütet weiter. Erwartungsgemäß halten die Post-COVID- und Ukraine-Anpassungsprozesse und die damit verbundene Verunsicherung in Wirtschaft und Märkten weiter an. Über zwei Jahre hat die größte Pandemie der letzten 100 Jahre gewütet und beim größten Krieg in Europa seit 75 Jahren ist kein Ende in Sicht. Die ersten sechs Monate diesen Jahres haben vor diesem Hintergrund vielerorts Rekordverluste gebracht. Der Stand der großen, breiten Renten- und Aktienindizes zeigt dabei nur die halbe Wahrheit: Technologiewerte, aber auch Industrietitel und zyklische Qualitätsaktien sind mitunter 40% und mehr gefallen. In einigen Teilmärkten sehen wir Verluste von gar 70% und mehr. Wir befinden uns in einer Marktphase, in der fast alle Vermögenswerte und fast alle Aktien gedrückt werden – einige werden in Zukunft wieder auftauchen, während andere wohl unter Wasser bleiben werden. Der Liquiditätsentzug, das Platzen von Blasen in Teilmärkten und die veränderte Marktstruktur tragen ihren Beitrag dazu bei. Alleine Crypto-Währungen haben ca. USD 2 Billionen an Marktwert verloren und die liquideste und als sicherste Anlageklasse der Welt geltende US-Staatsanleihen haben mehr als 12% verloren. Ein historischer Vorgang.

An dieser Stelle ist wohl etwas taktisch, also auf kurzfristige Sicht, Positives angemessen: Die Stimmung unter den Anlegern ist nunmehr sehr schlecht und die Kasse-Quote von Fondsmanagern sehr hoch. Das macht Hoffnung, dass bereits einiges in den aktuellen Preisen enthalten ist; vor allem in den besonders abgestraften Bereichen. Eine Erholungsrallye ist mehr und mehr wahrscheinlich. 

…und etwas strategisch, also auf lange Sicht, Positives: Hohe und nicht immer logische Buchverluste in hohem Tempo, bei immer lauter zirkulierenden Untergangsszenarien, sind kein einfaches Umfeld. Aber als Investoren sollten wir uns über Marktverwerfungen und den Wandel in der Wirtschaft freuen. Sie bieten gute Chancen für einen langfristigen Vermögensaufbau und Aktien von Familienunternehmen sind das ideale Instrument dafür. 

So haben wir die letzten Wochen genutzt und damit angefangen Unternehmen zu kaufen, die in der Vergangenheit einfach zu teuer waren. Dazu haben wir im Rahmen unserer aktuellen Portfolioaufstellung Positionen getauscht und Unternehmen gekauft, die nach unserer Meinung zu Unrecht überproportional abgestraft wurden. Sie weisen, auf der aktuellen Bewertungsbasis, nach unserer Analyse, ein überproportional hohes Aufholpotential bei einem gleichzeitig nunmehr unterproportionalem Verlustpotential auf. (Lesen Sie hierzu mehr in unserem Blog „Bärenmärkte: Krise und Wandel = Chance …den Bärenmarkt mit Aktien von Familienunternehmen nutzen„)

Insgesamt leiden Aktien von Familienunternehmen in diesem Marktumfeld überproportional, nicht zuletzt aufgrund der stark kontrahierenden Prämie für Qualitätsaktien. In der Vergangenheit haben sich diese Aktien in einer Erholung – und vor allem langfristig – aber wesentlich besser entwickelt als andere Aktien. (Lesen Sie hierzu „CONREN Studie zu börsengelisteten Familienunternehmen in Europa“ und unseren Blog „Update: Niedrige Bewertungen von Aktien europäischer Familienunternehmen“:  Das KGV des CONREN-Familienunternehmens-Universums* steht bei 11,7 (12-Monats-Trailing-KGV) und damit sehr deutlich unter dem Vor-COVID-Niveau (4Q 2019) von 19,0 und deutlich unter dem Niveau des 1. Quartals 2020 (dem Quartal der COVID-Aktienmarktpanik) von 13,8. Der Bewertungsaufschlag gegenüber dem breiten Aktienindex Stoxx Europe 600 hat sich in einem Bewertungsabschlag gewandelt. Dazu preist der Markt eine negative Gewinndynamik für die nächsten 12 Monate ein.)

(* Das CONREN Family Business Universe Europe umfasst die Aktien von börsennotierten Familienunternehmen in Europa mit einer Marktkapitalisierung von über 200 Millionen. Die Studie finden Sie hier.

Wir sehen in den letzten Wochen weitere Bewegung im System (sehen Sie hierzu bitte auch die Ausführungen des letzten Newsletters): Zentralbanken, mit der US-Fed vorneweg, hauen aktuell mit großen Knüppeln um sich. Eine deutliche Abschwächung, der vor Kurzem noch sehr hohe Wachstumsraten, ist explizit gewollt. Doch natürlich sind Zinserhöhungen und Liquiditätsentzug, gepaart mit der entsprechenden Rhetorik, keine Präzessionswaffen. Aber es sind wirksame Waffen, die bei einer angebotsseitigen Inflation besonders hart geschwungen werden müssen. Es erinnert ein wenig an eine Strahlentherapie gegen Krebs: sie wirkt gut gegen den Krebs, aber die Ärzte müssen aufpassen, dass der Rest des Körpers überlebt. So schwächen sich jüngst das Wachstum und die Wachstumserwartungen merklich ab, Rohstoffpreise geben nach (Kupfer, Nickel und Zink haben zum Beispiel 20 Prozent und mehr verloren) und eine ganze Reihe von Unternehmen kündigt Entlassungen an. Nichtsdestotrotz werden wir in den nächsten Monaten wohl weiter mit Knappheit bei Produkten und vor allem bei Dienstleistungen (siehe zum Beispiel das Flugchaos an vielen Flughäfen) kämpfen müssen; und wohl auch erst mal mit weiteren Kostensteigerungen. Doch es gibt auch mehr und mehr Lichtblicke. So sehen wir zum Beispiel weitere Entspannungen bei Halbleitern oder bei Kabelbäumen für die Automobilbranche – auch wenn sich diese noch nicht im gewollten Ausmass auf die Produkutionszahlen auswirken. 

Doch aktuell sehen wir noch zwei Parallelwelten, die nicht zusammenpassen: Während Aktienkurse merklich sinken, verzeichnen viele Unternehmen nach wie vor eine Rekordnachfrage, Rekordauftragsbestände und Rekordmargen. Analysten erwarten, dass die Gewinne der Unternehmen des STOXX Europe 600 im ersten Quartal diesen Jahres um 42.1% gegenüber dem ersten Quartal 2021 gestiegen sind. Doch die aktuellen Entwicklungen machen es sehr wahrscheinlich, dass viele dieser Unternehmen die aktuellen Gewinnprognosen nicht werden halten können. Hohe Lebenshaltungskosten und dahin schmelzende Ersparnisse lassen eine sinkende Nachfrage nach bestimmten Gütern und vor allem eine höhere Preissensitivität von Verbrauchern vermuten. Dazu kommen höhere Kosten für Unternehmen, die mehr und mehr auf die Margen drücken. Selbst die Auftragsbestände sind keinesfalls sicher. Können sie doch in diesem Umfeld leicht verschoben oder gar aufgehoben werden. Nach dieser in unserer modernen Wirtschaftsgeschichte einzigartigen COVID-Zeit, müssen sich Gewinnlevel erst wieder einpendeln. Das gilt für beide Seiten: Die COVID-Gewinner werden Umsatzwachstumsraten und Margen nicht immer voll halten können und COVID-Verlierer haben noch ein ganzes Stück aufzuholen. Dazu müssen sich die Lieferketten weiter entspannen. Die großen Fragen bleiben, wo sich die Volkswirtschaft, Konsumenten und Unternehmen am Ende einpendeln. Langfristig bleiben wir für ausgewählte Aktien von Familienunternehmen hoher Qualität sehr positiv. Im aktuellen Umfeld leiden diese allerdings oftmals überproportional. Doch langfristig hat sich Qualität bisher noch immer durchgesetzt.

Ein Blick in unser Portfolio von Aktien von Familienunternehmen in Europa zeigt das ebenfalls deutlich: Das Umsatz-Momentum, die Auftragslage und nicht zuletzt die Gewinnentwicklung sieht nach wie vor in den überwiegenden Fällen sehr gut aus. Gleichzeitig sind die Aktienkurse oft erheblich eingebrochen – Aktienmärkte nehmen also eine recht negative Zukunft vorweg und passen ihre Bewertungen dem gestiegenen Zinslevel an. Vor allem Aktien mit hohen Wachstumsraten, zyklischer Natur und mit einer historischen Qualitätsprämie in ihrer Bewertung haben im aktuellen Umfeld erheblich gelitten. Es ist wahrscheinlich, dass die bisherigen Erwartungen für das 2. und 3. Quartal nicht überall voll gehalten werden können und es weniger positive Überraschungen vom aktuellen Erwartungslevel geben wird. Erste Warnungen von Unternehmen sind bereits eingetroffen. Andere bestätigen ihren Ausblick allerdings. Wir müssen hierbei beachten, dass ein längerer Ausblick auch für Unternehmenslenker angesichts dieser historisch einmaligen Situation und der Geschwindigkeit, mit der sich Ausblick für Volkswirtschaften und Zinsen ändern, in vielen Branchen sehr schwierig ist. Das ist in Krisenzeiten normal. Eine weitere zentrale Frage bleibt dazu: Wie viel ist bereits in den mitunter stark abgestraften Kursen schon enthalten? Als Investoren müssen wir dazu unseren Anlagehorizont überprüfen: Er muss gerade heute langfristig sein. Für uns ist wichtig zu verstehen, welche Zukunftsszenarien sich bei den einzelnen Unternehmen für die nächsten Monate und Jahre herauskristallisieren. Hier kann diese, aber vielleicht noch mehr die nächsten und die übernächste Berichtssaison, mehr Aufschluss bringen. 

Weiter können wir aus dem Portfolio des CONREN – Generations Family Business Equity berichten, dass Unternehmen den wesentlich höheren Materialkosten weiter mit einer Mischung von Preiserhöhungen, einer Anpassung des Produkt-Mixes und mit Kosteneinsparungsprogrammen begegnen. Das klappt bisher zumeist recht gut. Das Lieferkettenmanagement hat weiter eine große Bedeutung, spielt sich aber langsam auf die neuen Gegebenheiten ein. Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt der schwache Euro: Das macht auf der einen Seite in USD-nominierte Rohstoffe oder Energie noch teurer, führt auf der anderen Seite aber zu mehr Exporten und einer Aufwertung der Auslandsumsätze. Für die Eurozone bedeutet das importierte Inflation. 

Wir sehen aber auch weiterhin, dass viele unserer Portfoliounternehmen die aktuelle Krise nutzen, um zuzukaufen und damit ihre Marktstellung zu stärken. Dass es für Finanzinvestoren im aktuell recht volatilen Zinsumfeld schwieriger ist als Gegenbieter aufzutreten, kann dabei nicht schaden. So kauft Lotus Bakeries (Kekse, Gesunde Snacks, Brotaufstrich … – Familie Boone, Lembeke in Belgien, gegründet: 1932) das britische Unternehmen Peter’s Yard zu und erweitert damit seine Produktpalette und -kompetenz und stärkt seine Marktstellung in Großbritannien und im Marktsegment Natural Foods weiter. Knorr Bremse (Brems- und andere Systeme für Schienen- und Nutzfahrzeuge – Familie Thiele, München in Deutschland, gegründet 1905) kauft im Bereich Remote-Diagnostik zu – zusammen mit Big Data und vorausschauender Wartung soll so das Flottenmanagement der Zukunft wesentlich effizienter werden. In Rahmen dieses anhaltenden Digitalisierungs-Megatrends kauft auch Alfa Laval (Wärmeübertragung, Separation und Flüssigkeits-Handling – Familie Rausing, Lund in Schweden, gegründet: 1883) zu: Das Übernahmeziel Scanjet bietet intelligentes Tank-Management, das Kunden helfen soll, Wasser- und die Energieverbrauch zu senken. Im Health Care Sektor kauft Grifols (Blutplasma-Derivate – Barcelona in Spanien, gegründet: 1940 von José Antonio Grifols Roig) das Unternehmen Biotest, um sein Produktportfolio und damit seine Marktführerschaft weiter auszubauen.

Als langfristige Investoren sind wir davon überzeugt, dass es in den aktuellen volatilen und nervösen Märkten von größter Bedeutung ist, langfristig fokussiert zu bleiben. Eben genau wie auch die Familienunternehmerinnen und Familienunternehmer, in die wir investieren. Wie wird die Welt, die Wirtschaft und Unternehmen in 5 Jahren und darüber hinaus aussehen?  Mit einem langfristigen Blick und im Rahmen der Einzeltitelauswahl ist es oftmals einfacher Chancen und Risiken einzuschätzen. Wer hat weiter eine geschützte Marktstellung, wer hat die Möglichkeit Kosten zu sparen und Preise zu erhöhen, wessen Bilanz ist stark genug für einen weiteren Sturm, wer braucht in Zukunft weniger Kapital, welches Geschäftsmodell hat Rückenwind, etc.? Wie so oft geht es hier darum Gewinner von Krise und Wandel herauszufiltern, aber noch mehr geht es darum die großen potentiellen Verlierer zu vermeiden.

Wir sind überzeugt, dass Unternehmen in Zukunft weiter großen Druck haben werden, in Innovationen zu investieren und, dass wir mehr denn je gestandene Unternehmer:innen für den Unternehmenserfolg brauchen werden. In diese wollen wir für unseren langfristigen Anlageerfolg investieren. 

Wir müssen uns, im Rahmen unserer Strategiefindung, aber durchaus darauf einstellen, dass uns der Bärenmarkt noch eine ganze Weile begleiten wird. Wie werden uns wohl noch des Öfteren fragen, ob das Schlimmste schon überstanden ist. Ein wichtiger Meilenstein wird sein, wenn der Markt anfängt zu glauben, dass wir Peak-Inflation, also den Hochpunkt der Inflation, hinter uns haben.

Entschuldigen Sie bitte, dass dieser Newsletter aufgrund der aktuellen Krisensituation an den Märkten wiederum etwas länger ausgefallen ist. Für Fragen, Anmerkungen und Empfehlungen stehen wir Ihnen, wie immer, jederzeit sehr gerne zur Verfügung.

Andreas Lesniewicz                                      Laura Prina Cerai, CFA

______
Diese Ausführungen dienen ausschliesslich der Information und stellt keine Anlageempfehlung / Anlageberatung dar. Die Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind keine zuverlässigen Indikatoren für zukünftige Erträge.