Kurzes Strohfeuer im Olympiajahr oder ist der schlafende Gigant endlich erwacht?


Trotz Korruption, Turbulenzen in Politik und grassierendem Zika Virus boomen Brasiliens Finanzmärkte. Ist das ein kurzes Strohfeuer im Olympiajahr oder ist der schlafende Gigant endlich erwacht?

Neben Korruptionsskandal und extremen politischen Unruhen, gipfelnd in einem Amtsenthebungsverfahren von Dilma Rousseff, erlebt das Land die tiefste ökonomische Krise seit Jahren. Die Arbeitslosenquote stieg auf über 11% (resp. über 8% in den 6 grössten Zentren), das Bruttoinlandprodukt schrumpfte Ende 2015 im jährlichen Vergleich um fast 6%, die Staatsverschuldung nimmt laufend zu (von rund 50% in 2011 auf nun gegen 70% vom BIP) und die hohe Inflation (8.8%) ist ebenfalls keine Unterstützung. Nichtsdestotrotz gehört der brasilianische Aktienmarkt in diesem Jahr zu den großen Gewinnern, die Anleihen Renditen sind gefallen (in diesem Zuge auch die Credit Default Swaps um über 30%) und auch der brasilianische Real zeigt sich von seiner starken Seite (+24% vs. USD in 2016). Ist dies ein kurzes Strohfeuer an den Finanzmärkten oder erwacht eine der grössten Volkswirtschaften der Welt, mit dem Startschuss zu Olympia, zu neuem Leben.


 

Politischer Hoffnungsschimmer – nach chaotischen Zeiten

Die politische Elite Brasiliens hat eine turbulente Zeit hinter sich. Der Korruptionsskandal rund um Petrobras hat diverse Minister ihr Amt gekostet. Auch die Präsidentin, welche sich den Vorwurf der Manipulation von Haushaltsplänen stellen muss, ist durch ein Amtsenthebungsverfahren im Mai für mindestens 180 Tage suspendiert und der amtierende Vizepräsident Michel Temer hat übernommen. Mit vielen Versprechen ist er in sein Amt gestartet, welche durch die internationale Investorengemeinde durchwegs positiv zur Kenntnis genommen werden: Sparpolitik, Privatisierungen von halbstaatlichen Organisationen vorwiegend im Öl- und Gasbereich, Steuerharmonisierung etc. Es scheint, als nehme sich endlich jemand der strukturellen Probleme Brasiliens an, auch wenn die Programme im eigenen Volk wohl nicht immer auf Gegenliebe stossen werden.

 

Boomende Finanzmärkte – nach hartem Absturz

Zusammenfallend mit den politischen Veränderungen haben auch unterstützende Marktgegebenheiten dafür gesorgt, dass Brasiliens Aktienmarkt eine starke Erholungsrallye gelang:

1)      der grosse Rohstoffexporteur Brasilien profitiert von der Erholung der Rohstoffpreise seit Februar
2)      der Risikoappetit der Anleger ist nach der Ausverkaufswelle zu Beginn dieses Jahres an den weltweiten Aktienmärkten zurückgekehrt
3)      ein abschwächender US-Dollar begünstigte Investitionen in Emerging Markets

 

Olympische Spiele – Spiegel der Probleme statt Balsam für die Seele

Im internationalen Fokus steht in den kommenden Wochen ein anderes Thema – die olympischen Sommerspiele in Rio. Wohltuend müsste es für die brasilianische Seele sein, dass neben den Turbulenzen in der Politik und dem grassierenden Zika Virus die Berichterstattung auf ein anderes Thema gelenkt wird, auch wenn im Vorfeld der Spiele viele Athleten aus Angst einer Infektion auf eine Teilnahme verzichten. Die Freude in der Bevölkerung hält sich indes in Grenzen. Zu präsent ist der Fakt, dass olympische Sommerspiele nie kostendeckend durchgeführt werden können (die sportbezogenen Ausgaben von 4,6 Mrd. USD sind bereits 50% über Budget – die Gesamtkosten dürften einiges höher sein). Der brasilianische Bundestaat Rio musste wegen der angespannten Haushaltslage sogar den Notstand erklären, um einen Sonderkredit der Landesregierung zu erhalten und dadurch die Durchführung der Spiele sicherzustellen. Für zusätzlichen Zündstoff sorgt der Fakt, dass für den Bau des olympischen Dorfes Teile einer Favela geräumt wurden und in Zukunft durch private Investoren Luxuswohnungen gebaut werden (unerwähnt lassen wir hier den Zustand des olympischen Dorfes). Ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckert haben sich die Organisatoren, welche es bis dato noch nicht wie versprochen geschafft haben die Bucht von Guanabara zu säubern, weshalb die Athleten teilweise um ihre Gesundheit fürchten. Schlussendlich hört sich alles schlimm an, aber auch hier wird wohl nichts so heiss gegessen wie es gekocht wird.

 

Was nun zu beobachten ist

Nach den Spielen wird man zum normalen Tagesgeschäft zurückkehren. Trotz des starken Anstiegs YTD von rund +30% hat Brasilien weiterhin Potential. Der Bovespa ist immer noch weit entfernt von den einstigen Höchstständen. In der jetzigen Verfassung hat der Markt wohl seine (zu hohen) Erwartungen eingepreist und jegliche Rückschläge, seien diese fundamentaler wie auch politischer Natur, können zu Korrekturen führen. Wir erachten es als wichtig, dass die strukturellen Probleme durch eine starke Führung angegangen und dadurch ein prosperierendes und einheitliches Klima für die Unternehmen und internationalen Investoren geschaffen wird. Nur so kann der ewig potentielle Wirschaftsgigant Brasilien endlich erwachen. Doch, wie bei so vielen mit reichen Rohstoffvorkommen gesegneten Ländern, ist der Weg dorthin von politischen Unwegsamtkeiten gepflastert oder gar versperrt.

b


                „Von Natur aus ein Gigant, bist Du schön und stark, unerschrockener Koloss,
und in Deiner Zukunft spiegelt sich diese Größe.“

Hino Nacional Brasileiro – brasilianischen Nationalhymne, seit 1922
Komponist: Francisco Manuel da Silva anlässlich der Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal, 1822
Text: Joaquim Osório Duque Estrada in Rahmen eines nationalen Wettbewerbs, 1909


laura

Co-Autorin: Laura Prina Cerai, CFA

oliver

Co-Autor: Oliver von Aesch, CFA