CONREN Covid-19 Blog Nr. 3: The new Normal 2.0

Covid-19: Wo stehen wir derzeit?

Weltweit zählt die Johns Hopkins Universität inzwischen 10,8 Millionen* nachgewiesene Coronavirus-Fälle (Stand: 03.07.20). Umfassende Lockdown-Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben 2020 viele Volkswirtschaften in die tiefste Rezession seit der Großen Depression gestürzt.

Zurück zur Normalität – das hoffen viele. Stetige Lockerungen und eine damit einsetzende Wiederöffnung der von Beschränkungsmaßnahmen betroffenen Volkswirtschaften fördern vielerorts die Erwartungshaltung einer raschen Erholung. Verstärkt wird diese Welle der Zuversicht durch die Aussicht auf einen Covid-19-Impfstoff Anfang des Jahres 2021. Mehrere Kandidaten liefern sich auf diesem Gebiet derzeit einen Wettlauf auf Zeit.

Dem gegenüber dämpfen die mittelfristige Überbelastung durch Staatsschulden, eine mögliche zweite Corona-Welle im Winter und die beunruhigende Zunahme sozialer Unruhen, alle Hoffnung und Zuversicht.

Die coronabedingte Notlage äußert sich derweil weltweit sehr verschieden: Dies liegt allem voran an den unterschiedlichen Ausgangssituationen und Herangehensweisen in den Ländern und Regionen. So nehmen u.a. das Alter der Gesellschaft, die Größe der Haushalte, die Qualität des Gesundheitssystems, die bisherige Erfahrung mit Virusausbrüchen und die vorhandene Vorlaufzeit entscheidend Einfluss auf Ausmaß und Verlauf der Pandemie und ihrer Folgen.

Aktuelle Vorreiter im Umgang mit diesen Herausforderungen finden sich vor allem in China, Südkorea, Taiwan, West-Europa oder Japan. Corona-Testing und lokale Ausgangssperren haben hier eine nächste Phase eingeläutet, denn niedrige Fallzahlen, ausgeweitete Kapazitäten in Krankenhäusern, eine ausreichende Verfügbarkeit von Schutzkleidung und ein elaboriertes medizinisches Wissen um eine Behandlung machen grossflächige, lange Lockdown-Phasen hier mittlerweile überflüssig – so die Hoffnung. Dazu kommt in dieser Phase nun die Möglichkeit Kapazitäten landesweit, oder gar über die eigenen Grenzen hinaus, zur Verfügung zu stellen und zu nutzen.

Abseits der Vorreiter stehen in zahlreichen Ländern in den Emerging Markets jedoch nicht die gleichen Möglichkeiten und Finanzkraft zur Verfügung.

Für die Weltwirtschaft ist insbesondere die aktuelle Lage in den USA ein Gradmesser. Nach wie vor sind die Vereinigten Staaten der bedeutendste Konsument und die wichtigste Konjunktur-Lokomotive der Welt. Anders als in Europa begannen einige Bundesstaaten bereits beim ersten Abflachen der Infektionskurve Ausgangssperren zu beenden und mit Lockerungen zu mehr Alltag zurückzukehren. Diese Schritte wurden jedoch vorangetrieben, ohne dass reduzierte Infektionszahlen die Situation nachhaltig hätten entschärfen können. Auch Testkapazitäten sind nicht ausreichend aufgebaut und Prozesse landesweit nicht aussreichend koordiniert. Hier ist die Situation deutlich unübersichtlicher und mitunter wesentlich ernster.

Nunmehr allgemein akzeptiert: Harte Lockdowns können langfristig nicht aufrechterhalten werden, ohne tiefgreifende wirtschaftliche Einschnitte, mit entsprechenden sozialen und gesamtgesellschaftlichen Folgen, zu riskieren.

Kapitalmärkte: Wo stehen wir derzeit?

Die Aktienmärkte der Industriestaaten haben sich nach den Tiefständen des Monats März schnell in V-förmiger Kurve wieder erholt.

Im Juni kam es zum Ende des ersten Halbjahres 2020 gar zu einer außergewöhnlichen Sektorrotation, bei der zyklische Aktien ihre Verluste inzwischen fast vollständig wettgemacht haben und ihren Rückstand zu den defensiven Werten aufholen konnten. (All das bislang mit nur wenig fundamentaler Unterstützung durch realwirtschaftliche Daten.) Zählten Medizintechnik-Unternehmen zum Beispiel lange zu den relativen Gewinnern, so gab es für den Sektor bei steigenden Aktienmärkten mitunter Verluste zu verbuchen. Als Gewinner gingen nun zyklische Aktien (auch solche mit schwächeren Bilanzen) oder Finanzwerte hervor. Dazu kamen die alten Markttreiber: die US-Tech-Riesen.

Es stellt sich nun die Frage: Wie kann es zu einer solchen Entkopplung zwischen Börsenkursen und volkswirtschaftlicher Aussicht kommen? Und es zeigt sich: Die Realwirtschaft ist eben nur ein Einflussfaktor für Börsenkurse. Märkte gehen aktuell nicht unbedingt von einer schnellen V-Shape-Erholung auf breiter Front aus. Sie nehmen vor allem „Managed Markets“, eine Notenbankpolitik auf ungesehenem Level sowie massive Fiskalprogramme (und Staatsverschuldung) vorweg. Die Anname: Es kommt nicht zu einer Fortsetzung, sondern einer Verstärkung der nach der Finanzkrise (2008/2009) eingeführten, neuen Mechanismen: The New Normal 2.0.

Einher gehen diese mit extrem niedrigen Zinsen und einem in Zeit und Umfang unbegrenzten Eingreifen in den Markt durch Notenbanken – die nun auch Junkbonds und bald, wie in Japan, Aktien kaufen. Das bringt noch niedrigere Renditeerwartungen mit sich und damit höhere Vermögenspreise – eine Vermögenswertinflation 2.0. Nicht nur bei Aktien, sondern auch bei Unternehmensanleihen und anderen Vermögenswerten gibt es entsprechende Gewinner (oder wird es diese geben).

Aktuell nehmen Diskussionen und Mutmaßungen über die Rückkehr von Gesellschaft und Volkswirtschaft zum Leben vor Corona einen zentralen Platz ein: Arbeiten wir alle nur noch vom Home-Office? Wird es jemals wieder volle Restaurants geben? Mit Blick auf die Kapitalmärkte sollte es mehr um die wichtigere Frage gehen: Werden wir es schaffen jemals zu einer Wirtschaftspolitik und Notenbankpolitik zurückzukehren, wie wir sie vor Corona kannten? Vieles spricht dagegen und damit für „The New Normal 2.0“.

Kurzfristig gilt es auch, Stimmungsschwankungen bei Marktteilnehmern und Presse zu beachten: Der Aufschwung im Juni wurde vor allem von Tradern und privaten Investoren getrieben. Viele Fondsmanager halten nach wie vor eine höhere Kassenposition.

Mit dem herkömmlichen Verhalten der Börse als Vorlaufindikator für die Konjunktur hat die jüngste Aktienmarkterholung also nur bedingt zu tun.

* Quelle: https://coronavirus.jhu.edu/map.html

 

Anhang: annekdotische Beispiele aus dem CONREN Portfoliomanagement

Mit unseren Portfolios sind wir in solide finanzierte Unternehmen investiert geblieben. Durch unsere weiterhin langfristige Ausrichtung profitieren wir von den strukturellen Trends, die sich in der Corona-Zeit beschleunigt haben.

Die Erholung des Konsums in China gibt hier und da Anhaltspunkte für Zuversicht: In den oberen Segmenten / im Premiumbereich ist die Entwicklung besser als im Massenmarkt. Vor allem die jüngere Generation hat schnell zu sozialen Gewohnheiten zurückgefunden. Davon profitieren bestimmte Branchen (z.B. westliche Restaurants, gesünderes Essen, Nachhaltigkeit). Der Trend zum Premiumbereich zeigt sich in der stärkeren Erholung in Luxussegmenten (z. B. im April/Mai deutlich wieder angezogener Umsatz bei Tiffany & Co. in China) und in Preisanpassungen nach oben (z. B. im Mai +5-17% Preisanstieg bei Chanel).

Welche Art von Rebound wirtschaftlicher Aktivität werden wir in welchen Industrien sehen? Dieser wird sehr unterschiedlich sein. Zum Beispiel gab es wenige Einbußen bzw. nur eine Aufschiebung von Umsätzen bei vielen Unternehmen im Healthcare-Bereich. So arbeiten in China viele Chirurgen aktuell viele Überstunden, um den Rückstand bei notwendigen Operationen aufzuholen. Auch in der Zahnmedizin wird es zunächst eine kräftige V-Shape-Erholung und viel Nachholbedarf geben. Bei medizinisch nicht so wichtigen, selbst zu bezahlenden Eingriffen, werden einige Konsumenten aber zögern solange das Ende der Krise und die wirtschaftlichen Folgen nicht abzuschätzen sind.

Marktführer haben sich in den letzten Monaten schneller erholt und können vielerorts die Gelegenheit der Krise nutzen, weitere Marktanteile zu gewinnen.

Abstandhalten ist erst einmal Teil der neuen Normalität, und die Akzeptanz von Regelungen für Telearbeit und Video-Anrufen wird immer breiter.

Die Hinwendung zu Online-Shopping und -Unterhaltung wird sich verstärken: Käufe im Geschäft vor Ort und der Bereich Gewerbeimmobilien (man bedenke die Einkaufszentren in den USA) werden leiden. Dagegen erhält unsere zuversichtliche Haltung zum Bereich Online-Bezahlung enorme Unterstützung durch die Wachstumsexplosion bei E-Commerce und beim Konsum von Onlinemedien (beide sind Aktivitäten für zuhause).

Ein zunehmendes Gesundheitsbewusstsein ist gut für Produkte in den Bereichen gesunde Nahrungsmittel, Hygiene/Körperpflege und für eine gesündere Lebensweise, darunter auch Qualitätsrestaurants und sportliche Betätigungen.

Im Gesundheitsbereich wird es mehr Investitionen (allgemeine Krankenversicherung) und eine stärkere Digitalisierung geben, nachdem sich gezeigt hat, dass man auf eine Pandemie weitgehend unvorbereitet war.

Wir erwarten, dass es angesichts der miteinander zusammenhängenden wirtschaftlichen, sozialen und das Virus betreffenden Daten auch mittelfristig weitere plötzliche Anstiege der Volatilität und abrupte Umschwünge in beiden Richtungen geben wird.

 


Autor: Laura Prina Cerai, CFA


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