Neue Spielregeln: Fluch oder Segen für Vermögensverwalter und ihre Kunden?
Ein Gespräch mit Christian von Veltheim, Mitglied der erweiterten Geschäftsführung der Altrafin-Gruppe und Verantwortlicher für Risikomanagement und Compliance
Herr von Veltheim, viele Vermögensverwalter stöhnen zurzeit vernehmbar wegen der vermeintlichen Regulierungswut. Zu Recht?
von Veltheim: In der Tat haben die letzten Jahre weit reichende Änderungen gebracht. Und so viel ist sicher: Die Schlagzahl wird hoch bleiben. Die Geschäftsmodelle in unserer hoch regulierten Branche werden dadurch stark beeinflusst – gerade für uns als bankenunabhängige Vermögensverwalter. Und bevor Sie nachhaken: Ja, das Leben ohne neue Regulierungen wäre für uns alle einfacher. Aber ob die Branche auch besser aufgestellt wäre, bezweifle ich.
Was hat sich mit der Regulierungswelle aus Ihrer Sicht grundlegend geändert?
von Veltheim: Wir müssen jederzeit einem Vertragspartner, einer Prüf- und der zuständigen Aufsichtsorganisation gegenüber beweisen können, und zwar unverzüglich, dass wir gesetzeskonform handeln. Dazu müssen personelle und systemische Ressourcen geschaffen und Prozesse umgestellt werden. Nichts geschieht mehr, ohne über entsprechende Compliance und deren Dokumentation nachzudenken. Der Druck, sich mit Themen wie Digitalisierung, der IT-Infrastruktur im Allgemeinen und der IT-Sicherheit im Besonderen zu befassen, ist und bleibt hoch, auch in finanzieller Hinsicht.
Wieso ist das so wichtig?
von Veltheim: Weil sich nur so die nötigen Prozesse inklusive der Dokumentation praktikabel und sicher umsetzen lassen. Das Motto „Wir haben das schon immer so gemacht“ ist aus rechtlicher wie aus operativer Sicht schon heute problematisch und in Zukunft einfach unmöglich.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung der neuen Richtlinien im täglichen Arbeiten?
von Veltheim: Wegen der sich ständig ändernden Vorgaben ist völlige Rechtssicherheit – vor allem, wenn man wie wir international agiert – nicht mehr immer gegeben. Selbst spezialisierte Berater und Behörden sind sich immer häufiger über Interpretationen und mögliche Umsetzungen uneins.
Woran liegt das?
von Veltheim: Oft sind Gesetze und Verordnungen mit relativ heißer Nadel gestrickt. Deshalb ist nicht immer zum Start klar, für wen genau sie genau gelten und was sie nach sich ziehen. Auch die Aufsichtsbehörden müssen sich erst einmal ein Bild davon machen, wie die Regulierung im Markt umgesetzt wird und welchen Weg sie einschlagen will. Zusätzlich verunsichernd wirkt das kurz vor Inkrafttreten von neuen Regulierungspaketen einsetzende Dauerfeuer der Beratungsindustrie.
Sie sprechen da gewiss aus eigener Erfahrung.
von Veltheim: Ja. Regelmäßig werden von ‚geschäftstüchtiger Seite‘, um es diplomatisch auszudrücken, extreme Szenarien und Auslegungen medial verbreitet. Das funktioniert dann natürlich besonders gut, wenn die Regulierung vor allem die Großen der Branche im Fokus hat. Denn dann sind kleinere Marktteilnehmer, in Ermangelung von Lobbyorganisationen und umfangreicher Rechtsabteilungen, reine Prozessnehmer. So müssen zum Beispiel hier und da Prozesse schriftlich festgelegt und dokumentiert werden, die es in dem Unternehmen in der Praxis gar nicht gibt.
Was soll daran schlecht sein?
von Veltheim: Für den Kunden werden so eigentlich korrekte Wege verschlossen, da sich Banken und Vermögensverwalter lieber auf absolut rechtssichere Lösungen beschränken. Die werden von Anwälten vorgegeben, die aber weder operativ aktiv sind noch mit den Kunden zusammen die Regeln anschließend ‚leben‘.
Also sorgt Regulierung indirekt für eine Verschiebung der Wettbewerbsverhältnisse?
von Veltheim: Exakt. Große Banken und Vermögensverwalter werden dadurch oft gestärkt. Das ist nicht gut für den Wettbewerb und so auch nicht gut für den Kunden – da es weniger Optionen und höhere Kosten gibt – und für die Märkte im Übrigen auch nicht, wenn sie durch immer weniger Teilnehmer getrieben werden. Auch die Kosten treibt es unnötig in die Höhe.
Klingt nicht gerade ermutigend. Hat die Regulierung denn auch positive Aspekte?
von Veltheim: Unbedingt! Eine gute Nachricht für den Kunden ist beispielsweise, dass sich der zusätzliche Aufwand nicht in erhöhten Gebühren niederschlägt. Bis heute tragen die Vermögensverwalter die zusätzlichen Kosten in aller Regel selbst. Der Kunde bekommt dennoch ein Mehr an Transparenz als vor ein paar Jahren – unter anderem, weil viel mehr Daten dokumentiert werden. In Zukunft wird mit den vor uns liegenden technischen Neuerungen ein noch höheres Niveau in Bezug auf die Transparenz erreicht werden. Leider müssen durch die häufigen Änderungen aus Richtung der Regulierung Verträge öfter angepasst werden, als das in der Vergangenheit der Fall war. Diese werden eventuell auch mal umfangreicher.
Wie reagieren Ihre Anlagekunden?
von Veltheim: Sehr verständnisvoll, auch wenn es nicht bei allen gut ankommt, wenn man Verträge alle paar Jahre anpassen muss oder bei Transaktionen sowie der vorgegebenen, regelmäßigen Kundendatenaktualisierung teilweise recht private Details samt Dokumentation abfragen muss. Gerade bei solchen privaten Informationen ist der erste Impuls des Kunden und – das muss ich unterstreichen – auch der unsere, dass uns das eigentlich nichts angeht. Aber hier lässt uns das Recht kaum Spielraum – der Kunde wird vom Gesetzgeber gläsern gemacht.
Ob mehr Transparenz für jeden Kunden ein Gewinn ist, wird individuell sehr unterschiedlich sein, da jeder Kunde andere Ansprüche hat. Es wird aber, um diese neuen Möglichkeiten sinnvoll zu nutzen, ein höheres Maß an Engagement des Kunden nötig sein, da die Komplexität der zur Verfügung gestellten Informationen rund um die Dienstleistung „Vermögensverwaltung“ steigt. Im Vergleich zum Status quo vor zehn Jahren wurde schon einiges im Sinne des Kunden getan. Das muss man ganz klar sagen. Dies ist ein wirklicher Vorteil der Regulierung. Außerdem werden viele Standards, die wir als Vermögensverwalter schon lange leben, nun auch Schritt für Schritt für mehr und mehr Marktteilnehmer verpflichtend. Das hilft uns. Darüber sind wir froh.
Wie lautet Ihr Fazit?
von Veltheim: Auch wenn man es nicht oft liest oder hört, so hat die zunehmende Regulierung nicht nur Negatives, sondern auch einige positive Entwicklungen mit sich gebracht. Sie zwingt Vermögensverwalter dazu, sich effizienter aufzustellen und ihre Geschäftsmodelle zu hinterfragen. Kunden haben mehr Möglichkeiten, sich zum Thema Vermögensverwaltung zu informieren und sind somit in der Lage, Entscheidungen fundierter zu treffen. Das ist angesichts einer Vielzahl neuer Angebote am Markt ein nicht zu unterschätzender Nutzen. Allerdings müssen sie sich auch mehr mit dem Thema und vor allem mit der unbeliebten Bürokratie beschäftigen.
Vielen Dank für das Gespräch.
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