CONREN-Kolumne: Schwellenländeranleihen – mit Vorsicht zu genießen!

Währungsturbulenzen und eine globale Refinanzierungswelle riesigen Ausmaßes könnten auch in Schwellenländern zu einem Unternehmensanleihen-Fiasko führen.

Investments in den Emerging Markets (EM) – ob Aktien, Unternehmensanleihen oder Währungen – haben in den letzten Wochen erheblich gelitten. Als Hauptgründe sind neben dem in dieser späten Zyklusphase schwankenden Investorensentiment unter anderem höhere US-Zinsen und der stärkere US-Dollar zu nennen. Das führt zu einem schwierigen Umfeld für die Refinanzierung von Unternehmensanleihen in den Schwellenländern.

Denn nicht nur Unternehmen in den USA und Europa haben das niedrige Zinsumfeld der vergangenen Jahre massiv dazu genutzt, so viel Schulden wie möglich aufzunehmen (siehe „CONREN-Kolumne: Vorsicht vor dem Firmenbond-Fiasko“). Auch in den Emerging Markets ist das geschehen. Die Verschuldung ist dort extrem schnell angestiegen: Die Schulden von Unternehmen und Staaten aus der Gruppe der Schwellenländer haben sich in den letzten zehn Jahren in etwa verdreifacht, von rund sechs auf 20 Billionen US-Dollar. Das akute Problem: Allein in den kommenden zweieinhalb Jahren müssen Emerging-Markets-Schuldner circa 4,5 Billionen US-Dollar davon refinanzieren. Sollte sich das Umfeld nicht ändern, kann es hier zu einer ganz erheblichen Katerstimmung kommen.

Gerade in den Emerging Marktes gilt: Billiges Geld macht süchtig. Es wurden und werden Projekte umgesetzt, die eigentlich nicht finanzierungswert sind. Unternehmen (höhere Margen) und Börsen (höhere Bewertungen) gewöhnen sich schnell an die niedrige Zinslast und den damit einhergehenden hohen Leverage. Die Ruhe an der Oberfläche ist trügerisch.

Ein in diesen Zeiten zentrales Phänomen sehen wir daher auch in den Emerging Markets: Das Niedrigstzinsumfeld und die Jagd nach Rendite bei wenigen Alternativen begünstigen allgemein die Risikoblindheit. Mehr und mehr Anleger werden so in Assetklassen getrieben, in denen sie wenig Erfahrung haben. Hinzu kommen auch in den Emerging Markets passive Investoren, welche die Qualität von Schuldner oftmals nicht unterscheiden. Im Gegenteil: Über die Index-Anlage bekommen die höchstverschuldeten Unternehmen (und Staaten) das meiste Geld – ein grotesker Mechanismus!

Bei Emerging Markets und vor allem EM-Anleihen spielt zusätzlich die Währungskomponente eine zentrale Rolle, wobei nach EM-Anleihen in lokaler und in „harter“ Währung – insbesondere in US-Dollar und Euro – zu unterscheiden ist. Insbesondere bei Letzteren kann ein steigender US-Dollar schnell zu Bilanzproblemen führen. Vor dem Hintergrund einiger währungsbedingter Emerging-Market-Krisen aus der jüngeren Vergangenheit – erinnert sei beispielhaft an die Asienkriese Ende der 1990-er Jahre, die eindrucksvoll gezeigt hat, was bei zu hohem Fremdwährungsrisiko passieren kann – drängt sich die Frage auf: Wurde nichts dazugelernt? Nun, auf den ersten Blick schon: Die Verschuldungsrelationen in den Emerging Markets sind aktuell insgesamt nicht mehr so fremdwährungslastig. Anleihen in „Hard Currencies“ sind zwar stark gestiegen, machen heute aber weniger als zehn Prozent der Gesamtverschuldung aus. Das ist aber alleine der Tatsache geschuldet, dass die Verschuldung in lokalen Währungen noch stärker gestiegen ist. Das schiere Verschuldungsvolumen bereitet Kopfschmerzen.

Ebenfalls ist hervorzuheben: Die sogenannten „Emerging Markets“ – eine aus den 1980iger Jahren stammende Bezeichnung – sind heute sehr viel heterogener als früher und alles andere als ein „Einheitsbrei“. Die einen fördern vor allem Rohstoffe (höhere Rohstoffpreise sind für sie positiv), die anderen produzieren Low-Tech Güter (höhere Rohstoffpreise sind für sie negativ), wieder andere sind auf High-Tech-Erzeugnisse spezialisiert. Auch in der Aufnahme von Schulden zeigen sich erhebliche Unterschiede: China hat mit Abstand am meisten US-Dollar Schulden bis Ende 2019 zu refinanzieren (über 90 Mrd.) in einigem Abstand gefolgt von Brasilien, Mexiko, Argentinien und Korea (zwischen 20 und 30 Mrd.). In Indien sind es dagegen unter 10 Mrd. Was Emerging Markets, bei allen regionalen Besonderheiten, als Investmentmärkte gleich macht ist ihre hohe Abhängigkeit von ausländischen Investoren und dem US-Dollar. Bei Korrekturen werden sie dazu immer noch als risikobehafteter angesehen als ihre „entwickelten“ Pendants.

Einzelne Emerging Markets bleiben – vor allem für langfristig denkende Investoren – trotz der derzeit hohen Verschuldungsquoten sehr interessant. Auch gibt es viel Positives zu beobachten: hohes Wachstum bei schwindender Inflation, historisch betrachtet vernünftigere Bewertungen und eine insgesamt höhere politische Stabilität als früher (natürlich nicht überall: siehe derzeit Argentinien, Peru, Venezuela, Türkei), oft gute Leistungsbilanzen, besser funktionierende heimische Anleihenmärkte, hohe Währungsreserven und eine wachsende sowie im Vergleich zu den Industriestaaten obendrein deutlich jüngere, also wissensdurstige und wohlstandshungrige Bevölkerung.

Solange ihre Volkswirtschaften überproportional wachsen, die Inflation niedrig bleibt und der Anteil der Verschuldung in Fremdwährungen (insb. versus dem US Dollar) nicht wesentlich steigt, desto attraktiver sind EM-Anleihen im Verhältnis zu Papieren aus den Developed Markets. Höhere Renditechancen gehen selbstverständlich mit höheren Volatilitäten einher. Wie diversifizierend EM-Anlagen für Portfolios in einem Bärenmarkt sein werden, ist allerdings fraglich. Die anbrandende Refinanzierungswelle in den Emerging (und den Developed Markets) ist in diesem Zusammenhang jedenfalls für alle Märkte ein schwieriger Prüfstein.


Autor: CONREN Team

Bildnachweis: adrian825

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