Kurzeinschätzung der aktuellen Marktsituation: Ein Paradebeispiel für schnell drehende Märkte

Wir erleben seit letzter Woche eine in Teilen recht heftige Korrektur an den Finanzmärkten. Als unmittelbarer Auslöser kann man die, aufgrund von guten US-Arbeitslosenzahlen zum Ende der letzten Woche, steigenden Inflationserwartungen und die damit einhergehend steigenden Zinsen heranführen.

Das wäre aber zu kurz gegriffen. Wir müssen uns noch einmal die Ausgangslage vor Augen halten: Es gibt seit geraumer Zeit Zeichen einer Blasenbildung in gewissen Segmenten des Marktes. Das Umfeld war für alle Vermögensklassen in den letzten Monaten nahezu ideal. Ein nie endendes „Goldilocks“-Umfeld ist aber zu schön, um wahr zu sein. Das ist auf die Dauer nicht realistisch. Somit hat die Ruhe an der Oberfläche getäuscht und die sich weiter aufbauenden Verzerrungen und Spannungen an den Märkten nicht widergespiegelt. Viel war zudem bereits in den Kursen enthalten: „markets priced for perfection“…So einige Auszüge aus unserem letzten Quartalsreport zum Anfang diesen Januars (hier mehr lesen).

Zuspitzung in diesem Januar: Im Januar hat sich der Aufschwung, vor allem an US-Aktienmärkten, noch einmal deutlich beschleunigt. Auch die Stimmung wurde immer besser, nicht zuletzt aufgrund der Trump‘schen Steuerreform, die viele Marktteilnehmer und -kommentatoren als noch nicht genügend vom Aktienmarkt berücksichtigt befanden.

Eine Korrektur war also zu erwarten. Aus unserem letzten Quartalsreport: „Eine Konsolidierungskorrektur könnte an den Märkten jedoch durchaus stärker ausfallen (> -10%), als wir dies derzeit antizipieren (3% – 5%).“ Nichtsdestotrotz ist die Reaktion der letzten 2-3 Tagen in ihrer Heftigkeit fundamental und makroökonomisch nicht begründet: Wachstum, Gewinne und Inflation – trotz Anstieg bei den Löhnen in USA – bleiben konstruktiv.

Warum fällt diese Korrektur trotzdem so heftig aus? Es ist recht klar, dass – vor allem im zweiten Schwung – so genannte Risk-Parity-Portfolios, CTAs , Algo-Traders und Short-Vola-ETFs etc. die Korrektur erheblich akzentuiert haben. Einige solcher Fonds und ETFs, die über die letzten Jahre mitunter sehr gute Ergebnisse erzielt haben, werden extrem hohe Verluste erleiden. Der Krug geht eben solange zum Brunnen, bis er bricht. So wurde z.B. auf eine immer weiter zurückgehende Volatilität gewettet, obwohl diese bereits auf historischen Tiefs angekommen war. Die oben aufgeführten Handelsstrategien haben sich in dieser Situation als extrem destruktiv erwiesen.

Was wir bisher nicht gesehen haben, sind größere Verkäufe von aktiven Asset Managern oder langfristig ausgerichteten Investoren – zu denen auch wir gehören. Diese waren nicht für die Bewegungen der letzten Tage verantwortlich. Sie haben auch nicht mit Panik oder Notverkäufen reagiert. Wir haben u.a. hierzu mit unseren Händlern gesprochen, die das bestätigen konnten. Dazu gab es aus diesem Grund auf Stufe einzelner Unternehmen kaum außergewöhnliche Bewegungen bei Kursen oder der Anzahl der gehandelten Aktien. Vielmehr verlief die Korrektur vor allem auf Ebene von Indizes und Subindizes. Sie wurde also vor allem von Indexverkäufen getrieben.

Auch auf der Währungsseite sehen wir keine Zeichen, dass sich fundamental plötzlich etwas Dramatisches auftut (EUR bleibt nachgefragt, auch vs. dem CHF -> trotz Krisensituation, in denen der USD und andere Safe Haven Währungen i.d.R. gewinnen). Selbst bei den Anleihenrenditen sehen wir wieder eine Entspannung. Diese waren aufgrund der gestiegenen Inflationserwartungen in den USA am letzten Freitag stark gestiegen.

Daher denken wir, dass unser Basis-Szenario (vgl. auch unseren letzten Quartalsbericht) nach wie vor intakt bleibt und wir hier eine Konsolidierungskorrektur und das „Ablassen von spekulativer Luft“ sehen. Wir sollten uns nicht allzu stark von diesen technischen Bewegungen beirren lassen.

Trotzdem müssen wir in den nächsten Tagen sehr genau beobachten und vorsichtig sein. Eine mögliche kurzfristige Erholung bedeutet keinesfalls Entwarnung, sondern ist nach heftigen Abwärtsbewegungen typisch. Wenn nun z.B. die Masse der passiven ETF Aktieninvestoren beginnen zu verkaufen, weil sich die Fundamentaldaten allmählich zum Schlechten wenden, müssten wir handeln. In einem solchen Szenario müssten wir das Portfolio noch deutlich defensiver aufstellen. Diese beeinflussen die Preisentwicklung individueller Aktien, nach oben wie nach unten, immer stärker – dieser Tatsache können auch wir uns nicht entziehen.

Gleichzeitig zeigen die letzten Tage noch einmal deutlich, dass wir im Reifestadium der Bullenmärkte bei Aktien und Renten sind. In dieser nehmen erratische und irrationale Bewegungen i.d.R. zu. Die Gefahr kommt dann oft aus zuvor unterschätzten Ecken. Wir haben auch gesehen, dass eine Korrektur oder gar ein Bärenmarkt eben doch durch höhere Inflationserwartungen und damit Zinsen ausgelöst werden kann. Noch vor wenigen Tagen wurde das vielerorts fast ausgeschlossen („Inflation ist tot“ / „Japan-Szenario“). Dazu hat sich die Gefahr der zunehmenden Wohlgefälligkeit und Nachlässigkeit an den Märkten sowie von passiven bzw. quasi-passiven Ansätzen vor dem Hintergrund von aufgebauten Fehlallokationen und Marktverzerrungen noch einmal bestätigt.

Unser pragmatischer langfristiger Absolute-Return-Ansatz lässt uns aktuell investiert bleiben, aber u.a. mit etwas niedrigeren Investmentquoten in den USA, einer Übergewichtung von niedriger bewerteten Titeln (z.B. in Europa), kürzeren Durationen, weniger High Yield sowie immer mit dem Fuß eher auf der Bremse als auf dem Gas – in dubio pro Risikomanagement. Das hat uns in den letzten Monaten Performance gekostet, aber in den letzten Tagen geholfen. Wie genau abgeschnitten wurde, werden wir aber erst in den nächsten Tagen sehen, wenn sich die Panik gelegt und Märkte sich adjustiert haben.


Autor: Patrick Picenoni (Altrafin / Fondsmanager CONREN)


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