USA: Die abflachende Zinskurve ist kein Vorzeichen einer Rezession!

Viele Marktkommentatoren schreiben der Zinskurve, wie man aktuell vielerorts lesen und hören kann, die Bedeutung eines „leading indicators“ für die zukünftige Entwicklung der Wirtschaft zu. Die sich abflachende Zinskurve deute „auf eine schwächere Wirtschaft hin“, die US Zinskurve sei „seit 8 Jahren nicht mehr so flach gewesen“… Herangezogen wird die Differenz zwischen 10 und 2-jährigen US Staatsanleihen (vgl. Graphik).

Die Steigung der Zinskurve ist per se jedoch kein unabängiger Indikator von Rezessionen oder gar die Ursache für realwirtschaftliche Entwicklungen. Vielmehr ist sie das Resultat  von gewissen Faktoren auf den Kapitalmärkten, welche mit einem steigenden oder fallenden Bruttosozialprodukt korrelieren. Heute kann selbst diese Korrelation in Zweifel gezogen werden: die Globalisierung und die offene Kommunikation der Zentralbanken hat die Progonosekraft der Zinskurve stark geschwächt.

Insbesondere in der heutigen Welt spiegeln Zinsen also nicht unbedingt die Erwartungen der Anleger in Bezug auf das Wachstum eines Landes oder einer Region wieder. Wir wissen, dass Zentralbanken den Geldsatz erhöhen, wenn die Wirtschaft erhitzt und reduzieren, wenn letztere abkühlt. Vor diesem Hintergrund sagt die Zins-Kurve zu einem bestimmten Zeitpunkt viel über die nächsten, wahrscheinlichen Handlungen einer Zentraltralbank (die –  zugegebenenrmassen – mit der erwarteten Wirtschaftsentwicklung einhergehen) aus. Es ist aber das Tun oder Nichttun der Zentralbank und nicht das Wirtschaftswachstums, welches schlussendlich die Steigung der Kurve bestimmt.

Wichtig dabei: Es wird oftmals vergessen, dass die Kurve aus 2 Gründen flacher werden kann:
1) kurzfristige Renditen steigen mehr als langfristige oder
2) langfristige fallen schneller als kurzfristige.

Bsp. 2006 – 2008: Aktuell wird also wieder einmal viel über die Prognosekraft der Zinsstrukturkurve geschrieben und Parallelen werden gezogen. Zum Beispiel, dass die Wirtschaft 2007 kurz vor einer Rezession stand. Vergessen wird jedoch, dass die US Kurve Ende 2006 sogar „invertiert“  war und im Verlaufe von 2007 und 2008 – also kurz vor dem Ausbrechen der Finanzkrise – steiler und steiler wurde. Das war jedoch sicher nicht ein Zeichen, dass bessere Zeiten vor uns standen. Es ist eher darauf zurückzuführen, dass die Investoren – mind. in den USA – für die Folgejahre Zinssenkungen erwartet haben (anders in Europa wo die anstehende Finanzkrise mindestens zu Beginn zugunsten Inflationsbekämpfung unterschätzt wurde und Zinsen während 2008 noch erhöht wurden). Wenn Zinssenkungen erwartet werden, fallen kurzfristige Renditen tendenziell schneller als langfristige, weil Senkungen des Geldsatzes einen grösseren Einfluss auf kurzfristige Anleihen als auf 10 und 30jährigen haben. Ebendarum wurde die US Zinskurve steiler in 2008.


Die Entwicklung der Steigung der Zinsstrukturkurve Amerikanischer Staatsanleihen

AR

Quelle: Bloomberg; Juni 2016
Der Chart zeigt die Differenz des Zinses für 10 Jahre und dem Zins für 2 Jahre Laufzeit an.
Null bedeutet also eine flache Zinsstrukturkurve; über 0 zeigt eine steigende und unter 0 eine inverse Zinsstrukturkurve an.


Heute: Vor diesem Hintergrund scheint die heutige Verflachung logisch: die USA befinden sich in der exakt entgegen gesetzten Lage zu 2008. Die US Wirtschaftsdaten sind moderat positiv: u.a. geht die Arbeitslosigkeit geht monatlich zurück. Der Markt erwartet – früher oder später – weitere Zinserhöhungen. Es macht also Sinn, dass kurzfristige Zinsen schneller als langfristige Anleihe-Renditen steigen, denn niedrige Inflationserwartungen wirken dämpfend auf etwaige langfristige Renditen. Die Globalisierung hat ebenfalls einen Druckeffekt auf langfristige Renditen, die zur Verflachung der Kurve beitragen. Mit negativen Renditen in Deutschland, Japan, der Schweiz, Dänemark, etc. steigt die weltweite Nachfrage nach US Papieren, was wiederum die Renditen dämpft.

Wird die US Zinskurve auch bald „umkehren“ – kurzfristige Renditen höher als langfristige sein?  Eher nicht. Die offene und transparente Zentralbank-Kommunikation verursacht eine sofortige Reaktion der Kurve zur antizipierten monetären Politik: Kurzfristige Renditen hören sofort auf zu steigen, sobald die Zentralbank ihre Absicht „veröffentlicht“.


Höchstwahrscheinlich verflacht sich die Zinskurve im heutigen Umfeld schneller als zuvor. Das führt zur Sorge aufgrund deren vermeintlichen Signalwirkung im Bezug auf eine bevorstehende Rezession.  Dieser Zusammenhang ist jedoch im Lichte der heutigen globalen Finanzwelt kritisch zu hinterfragen. Im Besonderen da die aktuelle Divergenz in der globalen Zinspolitik zu einer Magnetwirkung von amerikanischen Staatspapiere für den Rest der Welt führt.“

Alessandro Rizzi – Altrafin Gruppe


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Autor: Alessandro Rizzi – Altrafin Gruppe